Blog für Teambuilding und Mitarbeiterentwicklung
Tuckmans Teamphasen
„Mit Menschen zusammenzuarbeiten ist doch ‘ne Katastrophe“
In meiner Wahlheimat Karlsruhe umgibt mich ein sehr naturwissenschaftlich geprägtes Umfeld. Entsprechend merkwürdig wird man manchmal angeschaut, wenn man sagt, dass man Psychologie studiert hat und sich mit Menschen beschäftigt. Und dann auch noch damit, dass Menschen möglichst reibungs- und schmerzfrei, dafür aber zielführend und sich gegenseitig unterstützend zusammenarbeiten.
Die Verwunderung betrifft selten die Tatsache, dass man sich mit Menschen im Arbeitsleben beschäftigt, die Sinnhaftigkeit davon wird nicht bestritten. Sondern viel mehr, dass ich mich von so etwas klar mathematisch beschreibbarem, wie einem Ingenieurstudiengang, abgewandt habe und mich mit so etwas schwer messbarem und schlecht vorhersagbaren wie dem menschlichen Verhalten beschäftige.
Und sie haben natürlich recht. So groß der detektivische Spürsinn von Ingenieuren manchmal sein muss um alle möglichen Einflussgrößen zu bestimmen und Parameter bei Prozessen einzustellen, so beschäftigt man sich trotzdem fast immer mit unbelebter Materie, jedenfalls nicht mit Dingen, die ihre eigenen Befindlichkeiten haben.
Beim Arbeiten mit zwischenmenschlichen Beziehungen kommt dazu, dass andere Personen ihre ganz eigenen Ziele verfolgen, dynamisch auf Einflüsse reagieren und selbst bei der besten Kommunikation nur den bewussten Teil ihrer Intentionen verbalisieren können. Gewisse Verhaltensauslöser liegen im Unbewussten und sind vor allem im Arbeitskontext oft nicht vorhersehbar.
Teamphasen – Konstante im Teambuilding
Umso erstaunlicher finde ich es bei jedem Teamtraining und bei jeder einzelnen Teambuilding-Übung, dass es eine Konstante gibt, ein Modell, das die ablaufenden Prozesse so gut beschreibt, dass es wirklich mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit jedes Mal erkennbar zutrifft. Die Rede ist vom Modell der Teamphasen, oft auch als Teamuhr bezeichnet, das von Bruce Wayne Tuckman 1965 entwickelt wurde.
Alle Teams, die sich neu bilden oder die Änderungen unterworfen sind, durchlaufen die selben vier Teamphasen und zwar zwangsläufig. Wer jetzt aufhören will zu lesen, weil sein Team schon seit längerem besteht, dem sei gesagt, dass die Änderungen oder Störungen, die gut funktionierende Teams in der Teamuhr zurückwerfen, sehr klein und oft unbeachtet sein können.
Für alle, die das Modell aber noch nicht kennen, hier erstmal eine Zusammenfassung:
- Teams durchlaufen in ihrer Entwicklung mindestens vier unterscheidbare Phasen, die allerdings nicht alle gleichlang dauern müssen.
- Es kann keine Phase übersprungen werden, allerdings kann die Verweildauer mitunter sehr kurz oder die Ausprägung wenig salient sein.
- Störungen, Änderungen der Teammitglieder, neuartige Informationen von außen oder neuartige Aufgaben können Teams wieder in frühere Phasen werfen.
- Die Phasen werden im Englischen wie folgt bezeichnet:
Forming
Beim Forming findet sich die Gruppe zum ersten Mal zu einer neuen Aufgabe zusammen. Wenn die Gruppenmitglieder sich untereinander noch nicht kennen, ist diese Phase geprägt vom gegenseitigen Kennlernen. Bei sich bekannten Gruppen geht’s um ein vorsichtiges Kennenlernen der Aufgabe und all ihrer Aspekte. Meist möchten die einzelnen Personen noch nicht alles von sich preisgeben, weder von der eigenen Meinung zu der Aufgabe bzw. zum anstehenden Projekt, noch zur Motivation oder ihren anderen persönlichen Eigenheiten. Man schaut sich erstmal an, wie die anderen so ticken, wer extrovertiert nach vorne prescht und wer anderen den Vortritt lässt. Diese Phase macht also aus, dass sich die Gruppe nur wenig um die Aufgabe kümmern kann und die Beziehungen zueinander und das Kennenlernen der gegenseitigen Standpunkte erstmal deutlich mehr im Vordergrund stehen.
Storming
Das namensgebende Storming in Tuckmans nächster Phase bedeutet vor allem, dass nun die höfliche und unsichere Zurückhaltung ersten Unstimmigkeiten über Ziele und Vorgehensweisen, aber möglicherweise auch über die Art und Weise wie Kollegen die Führung übernehmen oder versuchen sich als Führungsperson durchzusetzen, weicht. Unterschiedliche Prioritäten in strittigen Fragen müssen sich nicht immer in einem offenen Machtkampf äußern. Konflikte in den Beziehungen der Teammitglieder untereinander können auch zum Rückzug und Beschäftigung mit sachfremden Dingen führen. Ideen und Arbeitskraft gehen so verloren, weil Teile des Teams das Gefühl haben sowieso nicht angehört zu werden und nichts beeinflussen zu können. Dabei wären ihre Ideen, wie das zu bearbeitende Problem angegangen werden soll, häufig sehr hilfreich, würden sie nicht einfach untergehen.
Zum Ende der Stormingphase hin ist die Gruppenleistung zwar immer noch sehr gering, aber es sind erste Verständigungen über die Art wie gearbeitet werden soll, erkennbar.
Norming
Wie es in der Bezeichnung Norming schon drinsteckt, bilden sich in dieser Phase erste Normen und Regeln aus, wie vorgegangen und miteinander umgegangen wird. Nicht immer Bedarf es dabei einer offenen Diskussion oder einer Abstimmung. Häufig regelt sich das über stillschweigende Vereinbarungen oder im schlimmsten Fall auch über das Recht des Stärkeren. Fürs Erste sind die Rollen geklärt. Jeder hat seine Aufgaben oder sein Grad der Mitarbeit gefunden und erstmalig wird angefangen zu kooperieren. Einzelne Mitglieder und ihre Rollen werden akzeptiert und die Art der Arbeit kann als zielorientiert bezeichnet werden.
Performing
Diese Zielorientierung gipfelt letztendlich im Performing, das heißt in einer Lösungsorientierung, in der das Team geschlossen handelt. Einzelleistungen werden anerkannt und wertgeschätzt. Durch gegenseitige Hilfe und Unterstützung können Rollen im Teams sehr schnell ohne größere Diskussionen bedarfsgerecht wechseln und die Teammitglieder arbeiten erfolgreich zusammen.
Die einzelnen Phasen können je nach Team und Aufgabe sehr unterschiedlich in ihrer Dauer sein. Je neuer das Team, je wichtiger die Aufgabe für die einzelnen Teammitglieder und je komplexer die Anforderungen, desto länger kann ein Team in der Stormingphase verharren. Leider gibt es auch Teams, die überhaupt nicht oder nicht ohne fremde Hilfe in die zweite Hälfte der Teamuhr, also die zielführenden Phasen gelangen. Manchmal helfen nur der Abbruch und eine neue Herangehensweise, wenn Konflikte zu festgefahren sind.
‚Auf der anderen Seite gibt es Kombinationen aus leichten Aufgaben und gut funktionierenden Teams, die die Stormingphase auf wenige Sätze zusammenschrumpfen lassen. Die wichtigsten Dinge sind dann geklärt, ohne dass Konflikte ignoriert wurden und später wieder aufbrechen, was eine sehr reale Gefahr ist. Längeres Storming ist nicht per se ein schlechtes Zeichen, sondern kann durch Gründlichkeit Vorteile bringen.
Das oben erwähnte Zurückwerfen in eine frühere Phase passiert nicht nur bei neuen Aufgaben für ein bestehendes Team, sondern auch bei einer Besetzungsänderung (Umstrukturierungen, Schwangerschaften, lange Krankheiten) oder beim Erkennen, dass der eingeschlagene Lösungsweg nicht zielführend ist. Zumeist werden gerade bei Strategieänderungen die Rollen im Team, vor allem die der Befürworter der fehlgeschlagenen Strategie, hinterfragt und vormals stumme Kritik wird laut, unterdrückte Konflikte werden im unpassendsten Moment an die Oberfläche geholt, genau dann, wenn sowieso das Gelingen des Projekts hinterfragt wird oder generell die Stimmung in der Belegschaft kippt.
Adjourning
Last, not least kommt jede Zusammenarbeit auch mal zu einem Ende. Diese Phase des Adjournings ist die einzige, die man theoretisch weglassen kann. Tuckman selbst hatte sie erst in einer späteren Version seines Modells hinzugefügt. Empfehlenswert ist es auf jeden Fall, auch Abschiede, Veränderungen und natürlich möglichst Erfolge zu feiern. In einer Zeit, in der viele Arbeitsteams nur zu bestimmten Projekten zusammenkommen umso mehr. Adjourning ist also die Phase der Retrospektive, einer Manöverkritik und des Feierns. So kann man sich auch mental von der Teamaufgabe loslösen, sich wieder für neue Aufgaben motivieren und möglicherweise von Teammitgliedern verabschieden, mit denen man einige Zeit nicht mehr so eng zusammenarbeiten wird.
Was hilft es nun über nicht veränderbare Dinge zu schreiben?
Die oben so gefeierte Vorhersagbarkeit und Regelmäßigkeit bedeutet gleichzeitig, dass man beim Teambuilding auch mit den besten Experten nicht um diese Phasen herumkommt. Ein externer Trainer oder Moderator, der einen durch die Phasen durchpeitscht ist genauso kontraproduktiv, wie ein Teammitglied, das jede Diskussion mit dem Worten „Da diskutieren wie jetzt aber nicht drüber!“ unterbricht.
Das einzige, was dabei helfen kann Konflikte zu minimieren und dem Team die nötige Sicherheit zu geben auch aus Tiefs wieder herauszukommen, ist Aufklärung über das was auf sie zukommen kann und wird. Wenn jeder weiß, dass Rückschläge, Meinungsverschiedenheiten und ein Wechsel von produktiven, euphorischen Phasen mit demotivierenden Erlebnissen dazu gehören und keineswegs ein Zeichen für ein schlecht funktionierendes Team sind, dann stärkt das die Selbstheilungskräfte für ein Team enorm. Selbst im Nachhinein werden die Tiefs dann nicht als zwischenzeitliche Phasen der Schwäche, sondern als hilfreiche und wichtige Elemente im Erfolgsprozess wahrgenommen. Das ist eine essentielle Voraussetzung dafür, dass die Selbstwirksamkeitserwartung bezüglich zukünftiger Aufgaben wächst.
Noch besser ist es natürlich diesen wiederkehrenden Prozess unter Anleitung zu erleben und zwar möglichst bei einer Aufgabe, die zwar ernst genommen wird, aber nicht existenzbedrohend für Unternehmen oder Einzelpersonen sind. Das bedeutet ein Teamtrainer schafft einen geschützten Raum und eine dem Team angemessene Aufgabe, die alle Phasen herausarbeitet, was eine gewisse Erfahrung benötigt. In Reflexionsrunden können psychologische Hintergründe erklärt und Intentionen der einzelnen Teilnehmer erfragt werden. Jeder kann für sich sinnvolle Lösungen erarbeiten und austesten um aus kritischen Teamphasen herauszukommen und im „Ernstfall“ die nötige Resilienz gegenüber Rückschritten zu an den Tag legen zu können. Teams, die auch im mitten im Storming handlungsfähig bleiben und wissen, dass sie so etwas schon einmal gut gemeistert haben, gelangen viel schneller wieder in zielführende Phasen in denen sich die Gedanken um ihr Projekt, ihre Produkte oder ihre Kunden drehen und nicht nur um das Team selbst.
Meetings, mehr als Zeitverschwendung
Smarte Ziele vs. vage Absichtserklärungen
Heute hat mich die Frage erreicht, was man denn tun könne, wenn man extra immer die komplette Belegschaft zusammentrommelt (in diesem Fall sogar außerhalb der Öffnungszeiten, das heißt mit entsprechendem Mehraufwand für alle Angestellten) und trotzdem bei Besprechungen und Meetings nach viel Gerede, großem Brainstormen und einem super Gefühl für alle, letztendlich nichts herauskommt was wirklich umgesetzt wird und sich dadurch nichts ändert.
Zielsetzung von Meetings
Als erstes muss ich sagen, dass ich es als sehr positiv betrachte, wenn am Ende eines Meetings alle ein gutes Gefühl haben. Dass sich die Stimmung durch Besprechungen verbessert und sich jeder gehört und ernstgenommen fühlt, spricht schon sehr für das Betriebsklima und die Moderation des Treffens durch die Führungskraft oder den bzw. die dafür Verantwortliche. Also immerhin ist erstmal kein Bedarf für Teambuilding ersichtlich.
Langfristig ist diese Tatsache natürlich nicht genug. Meetings sind kein Betriebsausflug und keine Incentive-Veranstaltung um verdiente Mitarbeiterinnen zu belohnen, sondern sie haben einen bestimmten Grund und wenn man die Zeit dafür opfert, Angestellte vom Arbeitsplatz wegholt oder extra kommen lässt, dann soll am Ende auch ein Ergebnis erreicht werden, das diese Mühen und Kosten aufwiegt.
Motivation der Mitarbeiter
Kreative Ideen? Tolle Einigung erreicht? Und was machen wir jetzt damit? Wir überspringen jetzt den eigentlichen Inhalt des Meetings und den ja oft genug schwierigen Weg zu einem Ergebnis und gehen davon aus, dass unser fiktives Meeting etwas Umsetzungswürdiges hervorgebracht hat.
Theoretisch und aus Sicht der Arbeits- bzw. Organisationspsychologie betrachtet, ist die Umsetzung des Besprochenen (also zum Beispiel Neuartiges in Angriff zu nehmen oder eine Änderung des Verhaltens) eine Sache der Motivation.
Um motiviert etwas zu tun, bedarf es eines Ziels und eines wie auch immer gearteten Feedbacks, ob man sein Ziel erreicht hat, beziehungsweise auf dem richtigen Weg dorthin ist. Wissenschaftlich formuliert haben das unter anderem Locke und Latham in ihrer Zielsetzungstheorie. Natürlich bestimmen eine Vielzahl von Eigenheiten des spezifischen Ziels die Art und Stärke der Motivation. Was aber oft außer Acht gelassen wird, ist dass erstmal ein klares Ziel definiert werden muss. Die Tatsache, dass ja für jeden offensichtlich gerade lang und breit im Meeting darüber geredet wurde, was verändert und angegangen werden muss, hilft leider nur bedingt.
SMARTe Ziele
Was tatsächlich hilft ist das zu recht sehr bekannte Konzept der smart formulierten Ziele. Ein Konzept das seit Anfang der achtziger Jahre nichts von seiner Popularität verloren hat, während manche Methoden des Projektmanagements zwischenzeitlich kamen und wieder gingen. Sicherlich gibt es die Grundlagen des Konzepts schon deutlich länger, nur eben unter anderer Formulierung. Meine Recherche wer die eingängige Formulierung eingeführt hat, führte zu zwei Varianten der Geschichte, die ich hier nicht vollständig aufklären kann. So seien also zum einen Hersey und Blanchard (1977) und zum anderen George T. Doran (1981) erwähnt.
Was ist also konkret zu tun mit unserem noch volatilen Ergebnis am Ende der Besprechung, damit es zu einem smarten Ziel wird.
Der Begriff smart steht hier natürlich nicht nur für ein schlaues Ziel, sondern ist ein Akronym, das heißt jeder Buchstabe steht für ein eigenes Wort:
s – specific
m – measurable
a – accepted
r – reasonable
t – time-bound
Im Laufe der Jahre sind je nach Anwendungszweck noch einige Bedeutungen der Buchstaben hinzugekommen, die sehr hilfreich sein können. Aus meiner Sicht wichtig sind vor allem noch achievable und relevant. Das Ergebnis muss also smart formuliert (und vor allem auch so festgehalten) werden um die höchsten Chancen einer Umsetzung zu haben. Im Einzelnen erläutert:
– Das Ziel muss spezifisch sein, das heißt, es muss klar und konkret definiert werden was passieren soll.
– Wichtig ist die Messbarkeit. Konkret lautet die Frage: „Wann weiß ich, dass ich mein Ziel erreicht habe, an was werde ich das sehen?“ Ohne diese Messbarkeit verschleppt sich der Prozess oft sehr lange und es wird lange „herumgewerkelt“ ohne klare Verbesserungen.
– Das formulierte Ziel, das es zu erreichen gilt, muss von allen akzeptiert werden und natürlich auch erreichbar (achievable) sein.
– Das vereinbarte Ziel muss vernünftig und realistisch wirken, damit man motiviert ist sich damit zu beschäftigen und an der Umsetzung zu arbeiten.
– Zum Schluss wird vereinbart bis wann das Ziel umgesetzt sein muss oder zumindest wann bei Nichterreichung an Stellschrauben gedreht werden muss.
Nicht immer ist es einfach auf alle Punkte genügend einzugehen und manchmal höre ich die Kritik, dass das Konzept bei sehr kreativen Aufgaben mit offenen Zielen zu starr sei. Aber gerade wegen der strengen Leitlinien unterscheidet es sehr gut zwischen reinen Lippenbekenntnissen und echten Zielvereinbarungen.
Zusammenfassung
Smarte Ziele helfen also vor allem durch die Buchstaben s, m und t dabei ein Feedback zur eigenen Arbeit zu bekommen, in dem Sinne, dass man selbst überprüfen kann ob man noch an ausgemachten Zielen arbeitet, ob man diese schon erreicht hat und wenn nicht, wie viel Zeit einem noch bleibt.
Wenn man den großen Kreis zurück zur Zielsetzungstheorie schließt, dann hilft genau dieses Wissen dabei, mit gesteigerter Motivation an die Umsetzung von Veränderungen oder neuen Aufgaben zu gehen. Wegstrecken, bei denen man das Ziel und den weiteren Verlauf nicht kennt, demotivieren und lassen einen irgendwann abweichen oder beim ersten schwierigen Stück abbrechen.
Und das ist dann auch die Antwort auf die anfangs gestellte Frage. Die Nachhaltigkeit von Planungen und Beschlüssen lässt sich deutlich steigern, wenn die Ergebnisse so festgehalten werden, dass sie der smart-Formel entsprechen:
„Die klar definierten Ziele, deren Erfüllung messbar sein muss, die auch akzeptiert und für sinnvoll erachtet werden, werden mit dem dafür vorgesehenen Zeitrahmen in eine Abschlussvereinbarung geschrieben.“
Mediation! Nein, da fehlt kein zweites „t“!
Für viele klingt der Begriff Mediation auch viele Jahre nach der Etablierung dieser Methode noch reichlich esoterisch, nach Familienaufstellung und sanfter Musik und damit dann doch wieder nicht so weit weg von Räucherstäbchen, Klangschalen und Yogamatte.
Selbsthilfe für Arbeitsteams bei Konflikten
Was dahintersteckt ist jedoch was gänzlich anderes. In der Mediation geht es letztendlich darum, Konflikte durch die Leute klären zu lassen, die sich sowohl fachlich als auch auf der Beziehungsebene zum Streitgegenstand am besten damit auskennen sollten. Gemeint sind die Konfliktparteien selbst.
Es geht also ein Stück weit um Hilfe zur Selbsthilfe, immer in der Annahme, dass die Konfliktparteien zum einen fachlich kompetent sind und zum anderen am besten wissen, welche Lösung sie akzeptieren können und welche nicht. Hilfe gibt es vor allem in der Kommunikation.
Anders können viele Konflikte in Unternehmen nicht gelöst werden, fast nie kann es eine Option sein einen externen Fachexperten zu holen, der sofort die Prozesse durchschaut, die Probleme des Teams erkennt und eine allgemeingültige Lösung verkündet, von denen alle sofort überzeugt sind und die so zur Glückseligkeit beiträgt. Wenn sich ein sofort verfügbarer und bezahlbarer Guru in Ihrem Fachgebiet finden lässt und er sich so viel besser auskennt als die eigenen Leute, dann ist wohl eher die Frage erlaubt, warum Sie ihn nicht sofort einstellen.
Bei der Mediation soll es eben spezifisch nicht darum gehen, dass ein Teamexterner ein Urteil fällt und sei es noch so salomonisch. Sondern die Konfliktpartner sollen einander verstehen und die Hintergründe ihrer Positionierung zu kommunizieren lernen. Letztendlich ist diese Unterscheidung zwischen Position und dahinterliegendem Interesse der wichtigste Schritt zur Lösung der meisten Konflikte, die auf verhärteten Positionen und dem Mangel an zielführender Kommunikation beruhen.
Genau diese Unterscheidung bildet auch den Mittelpunkt des sogenannten Harvard-Konzepts zur Konfliktlösung aus Roger Fishers gleichnamigen Buch von Anfang der 80er Jahre. Es ist sicherlich kein Zufall, dass dieser Ansatz von Mediatoren und Streitschlichtern in Projekten eingesetzt wurde und noch wird, die sich von kleinen innerbetrieblichen Streits bis zu bilateralen, bewaffneten Konflikten erstrecken.
Mediation im Überblick – die fünf Phasen
Die Fachliteratur bietet unzählige, teils sehr gute Werke zum Thema Mediation mit vielen hilfreichen Informationen, deren Fülle ein Blogartikel sicherlich nicht gerecht werden kann. Darum nur ein schneller Überblick:
– Die Vermittlung, denn nichts anders bedeutet Mediation, muss von einer unbeteiligten Person, die von den Konfliktparteien akzeptiert wird, begleitet werden.
Oft ist es eine schwierige Entscheidung, ob ein Mediator des Unternehmens oder ein Externer eingesetzt werden soll. Kurz gesagt, beides kann Vorteile haben. Der Interne kennt die Gegebenheiten, Produkte, Märkte und höhergeregelten, unumstößlichen Vorgaben. Der Externe hat oftmals den weiteren Blick und ist eben nicht in einem ‚das haben wir hier schon immer so gemacht‘ festgefahren.
– Das ganze Konzept beruht auf Freiwilligkeit und der Eigenverantwortlichkeit der Parteien, das heißt niemand darf erwarten, dass ein Mediator eine Lösung vorschlägt oder gar vorgibt, nach der dann in Zukunft gearbeitet wird. Auch kann kein Auftraggeber das gewünschte Ergebnis schon mit auf den Weg geben und davon ausgehen, dass der Mediator die Parteien auf den gewünschten Weg ‚schubst‘ oder leitet.
– Mediation läuft lehrbuchmäßig in fünf Phasen ab
1. Den Beteiligten muss das Verfahren vorgestellt werden. Es muss klar sein, warum der Mediator da ist, was seine Rolle ist, wie Gespräche geführt werden sollen und über die Vertraulichkeit der Inhalte informiert.
2. Konfliktpunkte sind oft weit verzweigt und betreffen ganz verschiedene Bereiche. Bevor inhaltliche Bereiche angesprochen werden, geht es erstmal darum, welche Themen denn besprochen werden sollen. Die Beteiligten sollen ihre Sichtweise und den Umfang der Probleme schildern. Das ist eine Phase, die häufig nicht ohne den Drang zur Gegenrede anderer Beteiligter ablaufen kann.
3. Die oben schon erwähnte Auflösung von Positionen, zugunsten der klaren Kommunikation von Interessen, Sichtweisen und Hintergründen zu Verhaltensweisen steht in der dritten Phase im Vordergrund. Das alles ist sehr viel Arbeit, denn nur das Kommunizieren von Sachverhalten bedeutet leider noch lange nicht, dass diese verstanden und geglaubt werden.
4. Der Mediator moderiert eine Ideensammlung zur Konfliktlösung oder lässt sie moderieren. Das heißt, auf Grundlage der in 3. erarbeiteten Punkte werden jetzt umsetzbare Veränderungen gesucht, mit denen alle einverstanden sind. Mit zu schnellen Lösungen, die alle Abnicken um schnell aus der Situation zu kommen, sollte man sich nicht zufriedengeben, immerhin liegt es an den Konfliktparteien selbst, diese Lösungen später mit Leben zu füllen und zu tragen. Andererseits schadet auch ein kleiner Realitätscheck der manchmal sehr kreativen Ideenfindungen nicht.
5.Wer schreibt, der bleibt. Auch in der Mediation gilt dieser vielzitierte Satz. Und wenn schon nicht schriftlich, dann mindestens eine gut diskutierte Vereinbarung, was in Zukunft wie gemacht werden soll. Allerspätestens hier muss der Mediator auch sichergehen, dass jede Partei mit der Lösung zufrieden ist und nicht nur resigniert zustimmt. Ansonsten muss wieder der Weg über die früheren Punkte gegangen werden.
Mediation löst Konflikte ohne Verlierer zu hinterlassen
Je nach Schwere des Konflikts und nach Einsatzgebiet kommen natürlich noch etliche weitere Hürden und Unterpunkte dazu. Die wichtigste Frage ist sicherlich die nach der Person des Mediators oder der Mediatorin (die natürlich während des ganzen Beitrags immer mit gemeint ist).
Gesprächsführung, das Ausklammern von eigenen Meinungen, Umgang mit aggressiven Einwänden oder mit Konfliktparteien mit deutlich unterschiedlichen Graden an Extraversion sind Dinge, die man kaum erschöpfend in einem innerbetrieblichen Wochenendseminar lernen kann, andererseits ersetzt kein Mediations-Masterstudiengang wichtige Punkte wie Erfahrungen in den Sprachmustern, Kenntnisse über Fachbegriffe und Marktbesonderheiten in der Zielbranche.
Hier zur einen oder anderen Lösung bei der Suche nach einem passenden Mediator zu raten ist schlicht unmöglich. Unternehmen, Konfliktparteien und Mediator(enteam) müssen zur Zielerreichung gut zusammenpassen. Aber wenn dies der Fall ist, dann bringen sie Arbeitsteams weit nach vorne und können Lösungen schaffen, die weithin getragen werden. Ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert und damit auch ohne Einbußen im individuellen persönlichen Wohlbefinden und in der Produktivität des Teams. Und zwar deutlich besser als durch Meditation.